Tag 76

von | 8. Juli. 2025

Zu Fuß auf dem Pilgerweg von Berlin nach Santiago de Compostella

 

Via Lemovicensis:

Prémery – Guérigny (22,2km)

Heute stand Pilgern mit biblischer Begleitung auf dem Plan — oder sagen wir: mit einer äußerst heiligen Erscheinung. Bevor wir überhaupt losliefen, entdeckten wir nämlich, dass unser Mitpilger Daniel eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Heiligen Jakobus hat. Nur der Hut fehlte noch – aber aus Filz lässt sich ja bekanntlich alles zaubern.

Daniel und der Heilige Jakobus

Mit der Sonne im Herzen (und endlich wieder am Himmel!) machten wir uns gemeinsam auf den Weg. Die Laune war gut, der Asphalt gnädig – zumindest für die ersten Kilometer. Im ersten Ort mit Supermarkt (diese heiligen Stätten moderner Pilgerfreude!) trennten sich unsere Wege. Wir verabredeten uns fürs Wiedersehen am Abend in Guérigny. Soweit der Plan. Doch Pilgerwege und Pläne – das ist wie Sandalen auf Schotter: es passt nie ganz.

Daniel, unser Jakobus-Double, hatte sichtlich mit seinen Schuhen zu kämpfen. Wir wollten schon spontan eine Spendenaktion für neues Schuhwerk starten (“Crowdfunding auf dem Jakobsweg – Schuhgröße 43 bitte!”), doch er lehnte bescheiden ab. Leider schaffte er es dann nicht bis zum Ziel. Er wollte langsam hinterhertraben. Wahrscheinlich hat er noch ein Wunder gesucht oder eine passende Muschel am Wegesrand…

Daniel bestimmte das Tempo

Abends in Guérigny angekommen, wartete schon die nächste kleine Herausforderung auf uns: Die städtische Herberge hatte genau fünf Betten. Wir aber waren sechs müde, hungrige, leicht stinkende Pilgerseelen. Doch keine Panik – Jürgen aus der Pfalz, Mann der Tat und Bodenhaftung, rollte ganz entspannt seine Matte auf dem Küchenboden aus. “Ich schlaf da, wo der Käse wohnt”, meinte er lakonisch. Der Mann hat Mut.

Paletten

Das Zelt war bei 9 Grad Außentemperatur keine echte Alternative (wir sind ja Pilger, keine Tiefkühlware), und das einzige Hotel im Ort hatte ebenfalls Siesta – auf unbestimmte Zeit. Macht nichts. Der Abend wurde trotzdem goldig: mit ein paar Flaschen Bier, Live-Musik, Gelächter und dem Gefühl, dass auch ein harter Tag auf dem Camino in guter Gesellschaft weich enden kann.

Und morgen? Vielleicht taucht Daniel ja wieder auf – mit neuem Hut, heiligem Schuhwerk und göttlichem Blasenpflaster. Der Jakobsweg bleibt spannend.

Grüne Reise nach Santiago:

Tag 76

Prémery – Guérigny (22,2km)

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