Tag 64

von | 9. Mai. 2025

Zu Fuß auf dem Pilgerweg von Berlin nach Santiago de Compostella

Jakobsweg  Trier – Vézelay:

Ambonville – Clairvaux (33,9km)

Ich wusste, der Tag würde lang. Aber dass er so lang werden würde, lag zum Teil auch an einem überaus üppigen Frühstück in der Pilgerherberge. Ich kam mir ein bisschen vor wie im Schlaraffenland. Es fehlte an nichts.

Trotzdem musste ich los. Eigentlich war Colombey-les-Deux-Églises mein Plan für heute, ein Ort mit großer Geschichte. Der Familiensitz von Charles de Gaulle liegt dort, er selbst ist dort begraben, und es gibt eine Gedenkstätte für sein Lebenswerk. Doch der Mai brachte nicht nur Feiertage, sondern auch ausgebuchte Unterkünfte. Keine Chance auf ein Bett in Colombey-les-Deux-Églises. Also hieß es, Zähne zusammenbeißen und weiter bis nach Clairvaux, macht in Summe sportliche 34 km.

Mit leichtem Rückenwind und moderaten Steigungen lief es zunächst überraschend gut. Der Wechsel zwischen Wald und Feld sorgte für Abwechslung, die Beine trugen mich fast wie von selbst. In Colombey angekommen, wollte ich eigentlich die Gedenkstätte besuchen – aber als ich die Mirage (das Kampfflugzeug, nicht die Fata Morgana!) sah und die vielen Touristen dazu, war klar: Heute ist nicht der Tag für große Besichtigungen. Stattdessen gab’s einen Kaffee im Dorf und ein stilles Staunen darüber, wie locker ich die ersten 20 Kilometer weggesteckt hatte.

Kirche von Colombey-les-Deux-Églises
Mirage

Der weitere Weg führte vorbei am Grab und Familiensitz von de Gaulle. Ein kurzer, nachdenklicher Moment inmitten all der stillen Landschaft. Danach aber wurde es zäh. Sehr zäh. Die letzten zehn Kilometer zogen sich wie Kaugummi. Geradeaus durch einen riesigen Wald, auf einem breiten, ziemlich sonnenoffenen Weg.

Clairvaux
Ehemalige Zisterzienserkloster, heute Gefängnis
Route Forestiere de Clairvaux a Colombey

Als ich schließlich in Clairvaux ankam, ziemlich auf dem Zahnfleisch, war meine Begeisterung eher gedämpft. Vor mir eine lange, hohe Mauer. Mein Hotel für die Nacht, das „Hôtel de l’Abbaye“, schmiegt sich direkt an das ehemalige Zisterzienserkloster, das 1115 gegründet wurde. Heute ist es ein Gefängnis. Schon eine besondere Atmosphäre.

Für mich war klar, Besichtigungen verschiebe ich auf ein anderes Leben. Ich blieb im Hotelgarten, gönnte mir einen kühlen Absacker und beobachtete, wie meine Wäsche im Wind trocknete, ein fast meditatives Abendprogramm. Immerhin hatte ich von meinem Zimmer aus einen Blick über die Mauer.

Grüne Reise nach Santiago:

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Ambonville – Clairvaux (33,9km)

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