Zu Fuß auf dem Pilgerweg von Berlin nach Santiago de Compostella
Jakobsweg Trier – Vézelay:
Joinville – Ambonville (21,0km)
.Der Tag begann mit einem Glücksgriff: Ich konnte mir in Joinville noch frisches Brot besorgen – trotz des 8. Mai, einem Feiertag in Frankreich.
Kaum hatte ich meine Vorräte gesichert, wartete schon der erste Schock: Der Weg führte gnadenlos steil den Berg hinauf. Ich brauchte eine Weile, bis ich wieder Luft bekam, aber oben wurde ich mit einem ruhigen Waldweg belohnt, der mich schnurgerade durch sattes Grün führte.
Kurz darauf tauchte ein kleines Dorf mit dem klangvollen Namen La Folie auf – was übersetzt schlicht „der Wahnsinn“ heißt. Und irgendwie passte das. Alte Ruinen wurden hier mit sichtbarem Aufwand restauriert, fast als wolle man der Geschichte ein zweites Leben einhauchen. Der Wahnsinn in Stein, liebevoll aufgebaut.
Nach etwa 10 Kilometern erreichte ich Blécourt, das auf einem Hügel thront. Was mich dort erwartete, hätte ich nie vermutet: eine gewaltige Kirche – Notre-Dame de Blécourt – in einem winzigen Ort mit kaum 120 Einwohnern. Ob dies ein Wallfahrtsort ist, weiß ich nicht sicher, aber allein die imposante Größe der Kirche und eine wunderschöne, farbig bemalte Holzstatue der Jungfrau Maria mit Kind ließen mich staunen.
Vor der Kirche erwartete mich ein moderner Picknickplatz – ein Geschenk für erschöpfte Wanderer. Und wie so oft: Ein Hinweisschild, das mich schon seit Tagen begleitet, begrüßte mich wie ein vertrauter Weggefährte.
Am Ortsausgang fand ich dann ein kleines Highlight für alle, die sich für Alltagsgeschichte interessieren: Ein halbelliptisches Lavoir aus dem Jahr 1878, eingebettet in eine liebevoll gepflegte Parkanlage. Ursprünglich dachte ich, solche Waschhäuser hätten Pilger genutzt – doch weit gefehlt. Sie waren so etwas wie der Waschsalon des 19. Jahrhunderts, allerdings Zugang nur für Frauen. Kein Wunder also, dass diese Orte schnell zu Treffpunkten für den neusten Dorfklatsch wurden – wahrscheinlich hat genau hier in den Waschhäuser die Redewendung „ …tratschen wie die Waschweiber“ ihren Ursprung.
Der weitere Weg führte mich erneut durch Wald, diesmal über Schotter. In den Pfützen schienen sich Mückenschwärme zum abendlichen Stelldichein zu treffen – ich war dankbar, dass sie mich an diesem Abend ignorierten. Im nächsten Dorf gönnte ich mir ein Fußbad – stilecht natürlich im Lavoir. Selten war kaltes Wasser so wohltuend.
Erst am späten Abend erreichte ich schließlich meine Pilgerherberge in Ambonville. Was für eine Freude: Das Abendessen war noch warm – und unglaublich lecker.
Und manchmal, wenn alles passt – der Weg, die Menschen, die Zeit – ist selbst ein einfacher Wandertag ein kleines Wunder.
Grüne Reise nach Santiago:
Tag 63
Joinville – Ambonville (21,0km)











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