Zu Fuß auf dem Pilgerweg von Berlin nach Santiago de Compostella
Via Lemovicensis:
Orthez – Sauveterre-de-Béarn (23,2km)
Manchmal beginnt ein Pilgertag im völligen Dunkel – und endet im strahlenden Festlicht des Lebens.
Nach einem Ruhetag in Orthez startete ich um 5 Uhr morgens mit frischen Kräften. Jean und Marion waren schon am Vortag weiter Richtung Saint-Jean-Pied-de-Port aufgebrochen, so dass ich die mittelalterlichen Mauern des „Hôtel de la Lune“ ganz für mich allein hatte – ein Gebäude aus dem 13. Jahrhundert, in dem ich die freie Bettenwahl genießen durfte.
Der Weg hinaus aus der Altstadt war noch gut beleuchtet, doch bald führte er entlang einer schmalen Schnellstraße, auf der die LKWs mit voller Wucht vorbeidonnerten. Da es stockdunkel war, wich ich dem Verkehr lieber aus und fand erst auf Feldwegen meine Ruhe – wenn auch nur tastend, denn die Sicht war gleich null. Doch in der Morgendämmerung war das kein Mangel, sondern ein Geschenk: Stille, Verlangsamung, die ersten Farben des Tages.
Ein Café oder eine Bäckerei suchte ich vergeblich, also blieb mir nur mein Proviant: Bananen und Äpfel. Während die Landschaft bergiger wurde, dachte ich daran, dass bei klarer Sicht die Pyrenäen schon sichtbar wären – die weißen Gipfel hielten sich heute verborgen. Dafür begleiteten mich die schönen baskischen Häuser mit ihren dunklen Fensterläden, ein deutlicher Kontrast zu den pastellfarbenen Fassaden des französischen Flachlands.
Ohne weiteren Einkaufsmöglichkeiten blieb es bei Obst, umso erleichterter war ich, als ich schon mittags in Sauveterre-de-Béarn ankam. Dort erwartete mich das volle Gegenteil der morgendlichen Einsamkeit: Ein Volksfest! Die schönste Kuh wurde prämiert, der stärkste Mann gesucht, Live-Musik erfüllte die Straßen, es wurde getanzt, gefeilscht und geschlemmt. Ich fand mich plötzlich mitten im Schlaraffenland wieder. Nur ein Pilgerbett war nicht aufzutreiben – doch das Touristenbüro half und vermittelte mir ein Zimmer über dem Restaurant L’Arsenal von Alice und Gilles.
✨ Pilgerweisheit des Tages:
„Wo ein Fest ist, da findet sich auch ein Pilgerbett – wenn man fragt.“
Grüne Reise nach Santiago:
Tag 112
Orthez – Sauveterre-de-Béarn (23,2km)
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